Conor Oberst | Konzerteindrücke und Music Monday #99

30 Januar 2017

Es ist wohl überraschend zu lesen, aber dieser Post war heute so gar nicht geplant. Jahaha! Aber es ist doch Montag und - wie ihr vielleicht auf Instagram gesehen habt - habe ich in musikalischer Hinsicht doch eigentlich mehr als genug zu erzählen. Aber zwei Music Mondays hintereinander? Come on! So nun kommt der Beitrag heute eher aus der Hüfte. Ist vielleicht aber auch ok, denn dieser Künstler, um den es heute gehen soll, ist mit Abstand derjenige, der mich in meinem Leben am längsten und intensivsten begleitet und den ich somit wohl besser kenne als mich selbst: Conor Oberst.

Mitgebracht in die neue Woche habe ich euch den Initialtrack sowie Tour-Opener mit dem unaussprechlichen Namen "Tachycardia" [kleine Hilfe: Täk-ki-kar-dia]. Ein Song von seinem neuen Album "Ruminations", das nach derben persönlichen Rückschlägen von ihm eigentlich gar nicht geplant war. Dennoch ist dieses Album so nah an ihm selbst wie schon lange keins mehr. Der Song muss also einfach was zu sagen haben. Da ich Conor Oberst am letzten Wochenende in Köln das erste Mal live gesehen habe (Man, war ich nervös!), habe ich passend dazu ein Performance-Video mit seinem aktuellen Tour-Partner rausgesucht. But first things first: Listen and Enjoy!

Conor Oberst - "Tachycardia"


It's a mass grave, a dollar-fifty resting place on the north face. It's a rope I've gotta climb.
I'm a stone's throw from everyone I love and know. But I can't show up looking like I do.
In an old suit my hair is slicked back nice and smooth. In a courtroom, sweat rolling down my back.
It's a bad dream, I have it seven times a week. No, it was not me but I'm the one who has to die.

Needs a cold draw to slow his tachycardia. In a dark bar this world just melts away.
And he feels fine, if he can just lose track of time. It's a good sign if he can't stay awake.
On a slow day the rain worsens the windowpane of the cafe. She spills the coffee grounds.
And the same thought hits her like a cinder block: Life's an odd job that she don't got the nerve to quit.

Now it's just there, at the bottom of those spiral stairs. It's the world there and the future's on display.
In the still night they turned on the electric lights and the crowd cried out. Everyone looks so amazed.

*** 

Wenn man Fans fragen würde, was sie an Conor Oberst schätzen, wären es wohl drei Dinge: Sein lyrisches Genie, seine Unmittelbarkeit bzw. Authentizität und seinen Hang sich thematisch der düsteren Seite des Lebens zu widmen. Schauen wir also kurz auf den Text von "Tachycaria". (Es tut mir leid, man MUSS einfach.) Ein Mann, der sich rechtlichen Anschuldigungen stellen muss. Ein Mann, der vereinsamt und in sich gekehrt ist. Ein Mann, der gesundheitliche Probleme davonträgt. Ein Mann, der wieder auf die Bühne steigt, vor sich ein Publikum mit erwartungsvollen Augen.

Vom persönlichen Tiefpunkt hin zur Wendung, dem Lichtstrahl durch die Wolken in nur 3 Minuten. Das ist Conor Oberst. Direkt und düster, dennoch extrem menschlich. Das Lied an sich wirkt. Noch mehr wirkt es, wenn man die Geschichte dahinter kennt, denn die Geschichte, die Conor Oberst hier besingt, handelt von ihm selbst. Im Anschluss an sexuelle Anschuldigungen, die letztendlich zurück gezogen wurden, entwickelte Conor Oberst im Zuge seiner Zukunftsangst um seinen Job als Musiker starke Herzprobleme, namentlich eine diagnostizierte Tachykardie. "Ruminations", zu deutsch Nachsinnen, von ihm komponiert und mit allen Instrumenten selbst eingespielt im Winter 2015 beschreibt diese Zeit und bildet die Wiederauferstehung. Im Frühjahr 2017  wird es sogar eine Neu-Auflage dieses Albums in voller Band-Besetzung samt neuer Tracks namens "Salutations" geben. Echte Fans werden natürlich beide kaufen, harrr.

"An intimate solo performance" ist seine aktuelle Tour zum neuen Album betitelt. Zwei tolle Vor-Künstler, Phoebe Bridgers und Miwi La Lupa, beide im selben Genre unterwegs wie Oberst, bildeten in Köln wie auch in einigen anderen Shows den Auftakt zu einem insgesamt fast 4-stündigen Konzerterlebnis. Conor Oberst spielte 2 x 1 Stunde nur begleitet von Miwi La Lupa samt Bass und wechselt selbst zwischen Piano und Gitarre. Was ich nicht erwartet hätte, da Conor Oberst mit seiner zittrigen Stimme im klassischen Sinne nicht der beste Sänger ist (aber der echteste, lord!), er klang wie auf Platte. Er preschte mit Leib und Seele durch die neuen und alten Songs, machte wenige Ansagen. Dennoch tosender Applaus nach jedem einzelnen verdammten Song. Ja, intimate war es alle Mal! (Dritte Reihe, baby!) Mir fällt es jetzt abschließend doch schwer Worte für diese Konzerterfahrung zu finden. Wie zur Hölle kann man nach 14 Jahren Fantum nur mit Worten ein Zwischenfazit schaffen? Es geht halt nicht.
 
Zum Ende habe ich noch für alle diejenigen, denen Conor Oberst und seine Projekte wie der Folk-Band Bright Eyes oder der Punkrock-Band Desaparecidos nichts sagen, einen Songschnipsel aus dem Jahr 1998 rausgesucht, der Conor Oberst als Künstler wohl ganz gut greifbar macht und den ich immer wieder als Essenz seiner Existenz im Ohr habe: There’s a boy in the basement with a four track machine. He’s been strumming and screaming all night down there. The tape hiss will cover the words that he sings. [...] And I scream, but I still don't know why I do it, cause the sound never stays it just swells and decays. So what is the point?  Why try to fight what is now so certain? The truth is all that I am a passing event that will be forgotten. ("The City has Sex" aus: Letting off the happiness) 
  
 ***
Noch ein paar Worte zum Abschluss. Oder auch: Sorry but not sorry. Der letzte Beitrag ist zwei Wochen alt. Wie dort schon angekündigt, wird es wohl für eine Weile oder auch mehr etwas weniger Beiträge geben. Ich sage es gleich vorweg: Dies ist keine Entschuldigung. Ich persönlich hasse nichts mehr als diese unsäglichen Es-tut-mir-leid-ich-habe-es-nicht-geschafft-Posts. Ich möchte das nicht lesen. So lange du kein Berufsblogger bist - und selbst dann bist du letztendlich auch nur deinen Auftraggebern und Partnern verpflichtet - bist du verdammt noch mal niemandem irgendeine Art von Rechenschaft schuldig, was du wann veröffentlichst. Jeder hat auch ein Leben in der nicht-digitalen Welt, das vor geht. Wenn alles grad zu viel wird, ist es nur richtig und vor allem vernünftig kürzer zu treten. (Viel lieber lese ich dann von den positiven oder negativen Dingen der Zwischenzeit und den damit einhergehenden innerlichen Veränderungen. Meist freue ich mich aber einfach Neues zu lesen.) Dass sich dennoch meine Gedanken jetzt wieder regelmäßiger um die thematische Ausrichtung (meines Teils) des Blogs dreht, werf ich dann doch noch mal elegant ins Netz. Fazit: I am noch nicht wieder ganz back in the blogging game, aber die Zeit wird zeigen welche gesunde Regelmäßigkeit ich für den Blog finden werde und mit welchen Themen es weitergehen wird. Ich kann nur hoffen, ihr seid auch dann regelmäßig dabei.

Zum heutigen Montag gibt es bei der lieben Maja auf DoubleBlushed nicht nur einen sondern gleich sieben Songs zu hören. In ihrem Beitrag "Der Januar in Songs" erzählt sich euch von alten Favoriten und Neuentdeckungen aus der englisch- und deutschsprachigen Rockmusik. Es lohnt sich!

Im diesem Sinne: Lasst mir gerne eure Gedanken zum Beitrag da und habt einen unaufgeregten, gesunden Start in die Woche!
 
Eure Katharina

6 Kommentare:

  1. Guten morgen liebe Katharina! Schöner Beitrag, den Künstler kannte ich bisher noch nicht, aber das Gloria mag ich als Verstanstaltungsort super gerne, es gibt meinen liebsten Indie Künstlern immer einen tollen Flair auf der Bühne :) Liebe Grüße, Mona <3

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    1. Aaaaah, wie schön! Biste da öfter? Hat mir echt gut gefallen auch die Aushänge für die nächsten Konzerte dort haben mich ja alle angesprochen. Vllt hast du ja auch mal Lust etwas über Musik zu posten. Ich jedenfalls (und wer zählt schließlich mehr?😆) würde mich echt drüber freuen.

      Liebe Grüße
      Katharina

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  2. Ich kann es nur nochmal sagen: es freut mich sooooo, dass du ihn sehen konntest! Das muss ein unglaubliches Erlebnis gewesen sein!

    Ich hatte ja damals auch von diesen Anschuldigungen gehört, was mich ziemlich bewegt hat, aber mir war nie klar, welche Auswirkungen das hatte. Dachte, das wären nur Gerüchte ohne was dahinter. Extrem krass, wie sich das weiter entwickelt hat. Die Veränderung lässt sich auch auf keinen Fall bestreiten, aber der Weg scheint wieder weiter zu gehen. Hach.

    Ich freu mich auf die nächsten Beiträge, wie auch immer es weitergeht! Die Einstellung ist echt gesund und einfach komplett richtig! Alles Gute dafür und einfach viel Liebe <3 <3

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    1. Merci, merci, ich habe die Mit-Freude schon damals auf Insta sehr gefühlt! ❤️
      Bei Conor Oberst gehts auf jeden Fall weiter. Ich glaub er wird immer in irgendeiner Form Musik machen, er kann gar nicht anders. Trotzdem wiederholt er sich nicht und langweilig wird es auch nie. Diese sprachlichen Bilder und herzzerreißenden Songs von ganz unten... Weiß nicht, wie er das macht. Aber dass er nun doch wieder auf der Bühne steht, ist wirklich erstaunlich. So richtig wohl gefühlt hat er sich da ja nie, oder? Hab ja leider null Vergleich zu "vorher". Aber die persönliche Komplexität war beim Konzert schon echt greifbar. Verdaue immer noch und bin dabei mir einen Eindruck zurecht zu legen....

      Merci, merci, merci! ❤️❤️❤️
      Katharina

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  3. Liebe Katharina,

    auch ich suchte (vgl. die Sucht) deine Musical Mondays und bin immer wieder gespannt, wen du dir aussuchst, warum, welcher Song. Kommt es nicht regelmäßig, kommt es um so schöner. Ich lese gerne, wie du die Songs interpretierst, mit welchen Dingen du sie in Verbindung bringst. So hat der Song eine Geschichte, eine von vielen tausenden :-), aber eben deine, eine besondere. Das macht es für mich persönlicher und ich höre dreimal, viermal hin und genauer. Und ich lerne dich so auch noch einmal von einer anderen Seite kennen. LG

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    1. Lieber Kommentator/liebe Kommentatorin,

      auch wenn dein Kommentar nun schon eine Weile her ist - umso häufiger habe ich ihn inzwischen genießen können - die Antwort kommt von ganzem Herzen: Ich hätte meinen Wunsch für die Wahrnehmung der Reihe selbst nicht besser formulieren können. Kunst lebt von Interpretation und Wirkung. Schön zu lesen wenn die Reihe dazu einen Beitrag leistet, wenn auch unbestritten mit unterschiedlichem Umfang, da man ja nicht zu jedem Künstler oder Lied eine gleich tiefe Verbindung hat. Manchmal kommt mir der ein oder andere Aspekt sogar banal vor, aber das muss für andere ja nicht auch gleich so sein.

      Noch einmal tausend Dank für den wertschätzenden Kommentar!
      Alles Liebe
      Katharina

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